Wörter, die sich im Laufe der Zeit verändert haben

Einleitung

 

Sprache wandelt sich mit der Zeit. Wörter können Denotationen und Konnotationen verlieren und hinzugewinnen. Die Bedeutung eines Wortes kann sich sogar komplett ändern. Dies hat dann meist mit dem Zeitgeist und soziologischen und politischen Entwicklungen zu tun, aber nicht immer. Ein Wort kann sich aber auch selbst wandeln - etwa durch Lautverschiebung - und dabei seine Bedeutung grundsätzlich behalten. Ja, auch die Orthografie kann sich ändern. Hierfür gibt es jedoch gar nicht so viele Beispiele, da bis 1901 gar keine einheitliche deutsche Rechtschreibung existierte und gemeinhin nach Gehör geschrieben wurde. Es gab zwar schon früher Wörterbücher, etwa der Gebrüder Grimm oder Konrad Dudens, doch waren diese nie verbindlich. Die meisten Änderungen bezüglich der Rechtschreibung sind jedoch nicht nur marginal, sie betreffen auch meist nicht einzelne Wörter, sondern grundsätzliche Regeln der Rechtschreibung.

 

Bedeutungsänderung

 

Hier haben wir einige Wörter zusammengestellt, die sich in ihrer Bedeutung oder Konnotation im Laufe der Zeit gewandelt haben. Sie werden feststellen, dass viele davon eine politische Komponente haben. Wir weisen deshalb ausdrücklich daraufhin, dass Wörter, die heute eine sehr negative Konnotation haben, hier zu rein sprachwissenschaftlichen Zwecken angeführt werden.

 

Chauvinismus

 

Das Wort leitet sich vom Namen Nicolas Chauvin ab. Dieser soll Soldat der Grande Armée Napoléon Bonapartes gewesen sein und in der Schlacht 17 Mal verwundet worden sein. Der Begriff "Chauvinismus" hatte daher zunächst die Bedeutung von "Ultranationalismus", da Chauvin solche Opferbereitschaft für sein Land gezeigt hatte. Als Kurzform für das daraus entstandene englische "male chauvinism" entwickelte sich im Laufe der 1970er die heutige Bedeutung von "Machogehabe".


Feminismus
 

Gehen wir doch gleich zu dem über, was dem Chauvinismus gemeinhin entgegenwirkt. Allerdings kommt der Begriff ursprünglich aus der Humanmedizin und bezeichnet die Entwicklung weiblicher Körpermerkmale wie Brüsten beim Mann, bedingt durch Hormone oder Übergewicht. Erst um 1900 wurde das Wort zur Bezeichnung für die politische Bewegung, die von der schon 1797 verstorbenen Philosophin Mary Wollstonecraft in gewisser Weise begründet wurde. Wobei bereits Platon vor über 2000 Jahren die Gleichstellung der Frau einforderte.

 

Toilette
 

"Toilette" bedeutet eigentlich "Leinwandtuch". Wie kommt man von da jetzt zum Abort? Nun, wegen des Tuchs entstand als Bezeichnung für ein Ankleidezimmer der französische Begriff "Cabinet de Toilette" (der europäische Adel sprach gemeinhin Französisch). Im späten 19. Jahrhundert benutzte man den Begriff dann auch als Euphemismus für den Raum, in dem man seine Notdurft verrichtete. Von da war es kein weiter Weg zur Verkürzung "Toilette" für den Abort selbst. Auch wenn der Begriff in der Umgangssprache so schon ab dem frühen 20. Jahrhundert im Gebrauch war, dauerte es bis in die 1960er-Jahre, ehe er in Wörterbücher aufgenommen wurde.

 

Kanake
 

Hier haben wir es nun mit einem Wort zu tun, das einem wirklich drastischen Wandel unterworfen war. "Kanaka" bzw. "kanaka maoli" ist Hawaiianisch und bedeutet "Mensch". Davon abgeleitet ergibt sich die Eigenbezeichnung des Volks der Kanak, der melanesischen Ureinwohner Neukaledoniens. Einerseits benutzten die europäischen Kolonialherren den Begriff "Kanake" deshalb für alle Insulaner dieser Region, was die spätere abwertende Bedeutung erklären könnte. Andererseits galten Kanaken als sehr tüchtige Seeleute und der Begriff "Kanakermann" wandelte sich im Seemannsjargon zu einer Art Ehrtitel für besonders fleißige und herausragende Crewmitglieder. Der Charakter Oofty-Oofty in Jack Londons Roman Der Seewolf wird etwa als "Kanake" bezeichnet. In Deutschland war das Wort jedoch lange Zeit eine sehr abwertende Bezeichnung für Menschen mit südländischem Aussehen, insbesondere Menschen mit türkischen Wurzeln. Heute wird es vermehrt von diesen selbst als Geusenwort benutzt - etwa in der Hip-Hop-Szene.

 

Abgewandelte Wörter mit gleicher Bedeutung
 

Da es sehr schwer ist, den Weg, den ein Wort gegangen ist, das sich über die Jahre abgewandelt hat, können wir an dieser Stelle nur einige Beispiele für Wörter liefern, die sich mit der Zeit geändert haben:
 

  • Begebnis - Begebenheit

dei­net­hal­ben - deinetwegen

allda - ebenda

ehrenfest - ehrenwert

bloß­fü­ßig - barfüßig

Ehrsamkeit - Ehrbarkeit

Fährde - Gefahr

sänftiglich - sanft (zur Beschreibung eines Vorgangs)

treu­lich - getreu

Helfant - Elefant

zwiefältig - zweifach

 

Sich verändernde Schreibweisen

 

Etwas, das sich etwa schon vor der ersten offiziellen deutschen Rechtschreibung geändert hatte, war, dass man statt "ey" nun "ei" schrieb. Andere Dinge änderten sich in der Rechtschreibung, weil man eine andere Schreibweise als sprachwissenschaftlich logischer ansah. So brachte uns die Rechtschreibreform bekanntlich eine einheitliche Regel zur Verwendung von Doppel-s und ß und legte fest, dass bei zusammengesetzten Wörtern, bei denen das erste Teilwort auf einem Doppelkonsonanten endet und das zweite Teilwort mit eben diesem Konsonanten beginnt, nicht wie früher einer der Konsonanten entfällt: Aus "Schiffahrt" wurde "Schifffahrt". Hier eine kleine Anekdote von den Briten: Als J. R. R. Tolkien, der anerkannter Linguist war, seinem Verlag den Hobbit vorlegte, besserte der Lektor "dwarves" ("Zwerge") als Mehrzahl zu "dwarf" ("Zwerg") in Tolkiens Manuskript in das übliche "dwarfs" um. Tolkien war nicht begeistert und insistierte, dass die Schreibweise mit V aus etymologischer Sicht mehr Sinn ergebe, die Mehrzahl von "elf" ("Elb") sei auch "elves" oder die von "wolf" "wolves". Heute ist Tolkiens Schreibweise die im Englischen übliche. Es können also sogar einzelne Schriftsteller die Schreibweise von Wörtern beeinflussen. Hin und wieder kapitulieren die Sprachhüter beim Duden auch schlichtweg, wenn genug Menschen etwas lange genug falsch geschrieben haben. So führte der Duden für lange Zeit "Tschüs" als das am häufigsten falsch geschrieben Wort der deutschen Sprache. Die meisten Menschen schrieben nämlich "Tschüss" oder gar "Tschüß". Vor einigen Jahren gab man es in der Duden-Redaktion wohl dran und erlaubte die Schreibweise mit Doppel-s ganz offiziell.