Aus der Duden-Redaktion heißt es, die deutsche Gegenwartssprache hätte einen Umfang von 17,4 Millionen verschiedenen Wörtern. Das schrieb zumindest Kathrin Kunkel-Razum, die Leiterin der Duden-Redaktion, in der "Sprechstunde - die Sprachkolumne" des Goethe-Instituts. Millionen Wörter, und doch gibt es Dinge, die man nicht in Worte fassen kann. Unter anderem die Mehrzahl von Gesundheit, Gold oder Obst. Welche anderen Wörter keine Mehrzahl haben und was es sonst noch Wissenswertes zum Thema Singulariatantum, wird hier beleuchtet.
Einmalig: Singulariatantum
Wörter, die keine Mehrzahl haben, also nur in der Einzahl vorkommen, heißen Singulariatantum oder Singularetantums. Ein Wort ohne Plural wird Singularetantum genannt. Weit verbreitet für ein solch einmaliges Wort sind auch die Bezeichnungen Einzahlwort oder Singularwort. Der Begriff Singularetantum leitet sich von den lateinischen Wörtern "singularis" (einmalig) und "tantum" (nur) ab. Das Gegenteil, also Wörter, die nur im Plural (Mehrzahl) existieren, werden Pluraletantum genannt. Pluraletantum werden nur in der Mehrzahl verwendet, das Singular existiert bei Wörtern wie Allüren, Eltern, Gezeiten oder Leute nicht.
Wörter ohne Mehrzahl: Beispiele
Wörter, die kein Plural haben, lassen sich in unterschiedliche Kategorien einsortieren:
Unzählbare Konkreta sind zum Beispiel: das Alter, das Fleisch, das Gepäck, die Kälte, der Lärm, das Obst, der Schnee, der Schutz, das Vieh
Unzählbare Abstrakta sind beispielsweise: das All, der Anstand, das Chaos, die Dummheit, der Durst, die Gegenwart, die Gesundheit, der Glanz, der Hass, der Hunger, der Mut, das Nichts, das Pech, der Regen, die Ruhe, die Schönheit, der Stolz, die Toleranz, die Treue, der Überfluss, die Vernunft, die Wehmut
substantivierte Adjektive sind etwa: das Deutsche, das Unvergessliche, das Vollendete
substantivierte Verbinfinitive sind zum Beispiel: das Denken, das Kochen, das Vergessen, das Verzeihen
diverse Stoffnamen wie etwa: Butter, Gold, Helium
etliche Substantive, die die Endungen "-heit" oder "-keit" aufweisen, wie beispielsweise: die Dunkelheit, die Gesundheit, die Müdigkeit, die Überheblichkeit
Organisationen, zum Beispiel: die Post
Ausnahmen bei Nebenbedeutung
Bei einigen Wörtern handelt es sich um formale Singularetantums, die jedoch eine Nebenbedeutung besitzen, die meist konkretisierend wirkt. Für diese konkretisierende Nebenbedeutung kann es sowohl ein Singular wie auch ein Plural geben. Solche Wörter sind dann keine Singulariatantum.
Das ist etwa beim Wort Dummheit der Fall. Als unzählbares Abstraktum gibt es die Dummheit nur im Singular. Ein entsprechender Satz könnte etwa so lauten: "Die unendliche Dummheit der Menschen ist unvorstellbar."
Ist allerdings eine konkrete Handlung gemeint, gibt es für das Wort Dummheit eine Singularform und eine Pluralform. Folgender Satz illustriert die Verwendung in der Nebenbedeutung:
"Das war eine absolute Dummheit, die Du Dir erlaubt hast. Ich kann nicht glauben, welche Dummheiten durch Deinen Kopf gehen!"
Ähnlich funktioniert es im Fall von Schönheit. Als unzählbares Abstraktum ist die Schönheit der Natur unermesslich. Ist jedoch eine besonders attraktive Person gemeint, kann aus dem Singular (Schönheit) auch das Plural (Schönheiten) gebildet werden.
Hier ist der Beispielsatz:
"Zwischen all den Schönheiten beim Wettbewerb sticht sie immer noch heraus. Sie ist eine ungewöhnlich attraktive Schönheit für eine Katze."
Wenn die Pluralendung die Bedeutung ändert
Manchmal hat die Pluralendung einen anderen Effekt. Sie macht aus dem Singular kein Plural, sondern verändert die gesamte Bedeutung.
Zum Beispiel:
- das Geld (im Sinne von Geldscheinen und Münzen) -> die Gelder (im Sinne von Summen)
- die Kost (im Sinne von Nahrung) -> die Kosten (im Sinne von Ausgaben)
- die Zeit (im Sinne von Minuten und Stunden) -> die Zeiten (im Sinne von Epoche)
Geld, Kost und Zeit sind somit Singularetantums.
Die Pluralbildung in der deutschen Sprache ist nicht ganz einfach. Bei manchen Wörtern wird das Plural durch Pluralendungen wie "en" (Nation -> Nationen), "e" (Friseur -> Friseure) oder "s" (Auto -> Autos) gebildet. Da es etliche Ausnahmen gibt und durch das Anhängen einer Pluralendung auch der Sinn verändert werden kann, ist es besser, die korrekte Pluralform zu jedem Nomen direkt mitzulernen.
Wörter, bei denen das Plural nur in der Fachsprache üblich ist
In der Alltagssprache haben einige Wörter keine Mehrzahl. Möchte man bei diesen Wörtern ein Plural bilden, behilft man sich anderweitig und hängt eine Endung wie etwa -sorten oder -packungen an. Das ist zum Beispiel bei der Milch der Fall. Geht es um mehr als eine Milch, würde es umgangssprachlich Milchsorten oder Milchpackungen heißen.
Genau genommen ist das nicht ganz richtig, denn bei der Milch ist die Pluralbildung möglich und sogar in der Fachsprache üblich. Das Wort Milch ist somit kein Singularetantum. In der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie wird von Milchen gesprochen, wenn es darum geht, mehrere Milchsorten zu unterscheiden. Milch von der Kuh und Milch von der Ziege sind schließlich unterschiedliche Milche. Milche ist das Plural von Milch.
Das Wort wird im Alltag aber so gut wie nie benutzt und nur unter Fachleuten verwendet. Ebenso ergeht es den Wörtern Getreide und Geflügel. Im Alltag werden sie nicht im Plural verwendet und auch in einigen Wörterbüchern steht, dass es sich um Wörter, die keine Mehrzahl haben, handele. In der Landwirtschaft werden in beiden Fällen die Pluralformen gebildet. Sollen verschiedene Arten von als Nutztier gehaltenen Vögeln beschrieben werden, heißt es "die Geflügel". Geht es darum mehrere Sorten Getreide zu unterscheiden, sagen Landwirte "die Getreide".
Ähnlich verhält es sich mit den Wörtern Staub oder Wasser. Im ersten Moment scheinen sie wie Wörter, die kein Plural haben. In der Fachsprache wird jedoch für beide ein Plural gebildet. Die Mehrzahl von Staub heißt Stäube. Beispielsweise Forscher benutzen das Wort Stäube, wenn sie verschiedene Staubsorten beschreiben.
Wasser heißt im Plural Wässer. Mit dem Wort Wässer können etwa unterschiedliche Quell- oder Mineralwassersorten bezeichnet werden.
Auch das Wort Käse ist kein Singularetantum. Um ein Plural zu bilden wird nur der Artikel geändert, das Wort bleibt unverändert. Im Singular heißt es der Käse, im Plural dann die Käse. Wieder ist die Verwendung der Mehrzahl in der Alltagssprache eher unüblich.
Wörter ohne Plural sind ein internationales Phänomen
Wörter, die kein Plural haben, gibt es nicht nur in der deutschen Sprache. Das Phänomen ist international und kommt auch in anderen Sprachen vor. Ein paar Beispiele aus der englischen Sprache sind: homework, information, knowledge, luggage, wealth. Alle das sind Wörter, die keine Mehrzahl haben. Somit ist die deutsche Sprache gar nicht so einzigartig - zumindest in dieser Hinsicht.