Wörter die im Plural und im Singular gleich sind

Weil es einen Unterschied macht, ob in einem Satz ein Subjekt (und ggf. Objekt) beschrieben wird oder von zweien, mehreren, vielen die Rede ist, haben alle Sprachen Sprachregeln entwickelt, um die entsprechende Anzahl auszudrücken.

 

In vielen Sprachen sehr komplizierte Regeln: In der slowenischen und sorbischen Sprache werden z. B. nicht nur Einzahl (Singular) und Mehrzahl (Plural, der durch Zusätze präzisiert wird) unterschieden, sondern es gibt eine spezielle Wortform für paarweises Vorkommen: Ein Haus, drei (20, mehrere, viele) Häuser, ein Haus-Paar (spezieller Ausdruck für zwei Häuser, "Paar" ist nur ein Beispiel).

 

Die deutsche Sprache beschränkt sich auf Veränderung der Substantive: Der Numerus (die Zählform des Wortes) muss dekliniert, d. h. in die gemeinte Form verändert werden: Haus und Häuser, Auto und Autos, Sache und Sachen; bei Wörtern mit Doppel-Bedeutung auch z. B. Bank und Bänke und Banken. Das Verb verändert hier sich nur mit der Anzahl des Satz-Subjets: Ich sehe ein Haus, zwei Häuser; wir sehen ein Haus, zwei Häuser.

 

Bei etlichen Wörtern muss jedoch nichts verändert werden, weil sie im Singular und im Plural die gleiche Wortform haben. Es gibt sogar gleich drei verschiedene Kategorien solcher Wörter: Wörter, die sich in Singular und Plural gleichen; Wörter, die praktisch nur in der Einzahl vorkommen (Singulariatantum) und Wörter, die nur in der Mehrzahl vorkommen bzw. bekannt sind (Pluraliatantum).

 

Wörter mit identischem Singular und Plural

 

Bei diesen Wörtern ist es völlig egal, ob Sie gerade von einem oder mehreren sprechen oder schreiben, weil sich die Form des Wortes damit kein bisschen verändert:
 

Ein Becher voll Kaffee, viele Becher für Tee, noch mehr Becher für ein Würfelspiel-Turnier - es bleibt immer der oder die Becher.

 

Genauso verhalten sich z. B. die Wörter:


Bohrer, Brunnen, Computer, Dampfer, Farmer, Fenster, Flügel, Kabel, Koffer, Lager, Lehrer, Leiter (der und die Abteilungsleiter; aber nicht: die Leiter und die Leitern zum Hinauf- und Hinabsteigen), Löffel, Mädchen, Makel, Messer, Mitarbeiter, Reifen, Roller, Schüler, Wagen, Zimmer.

 

Weitere Beispiele finden sich vor allen bei den Wörtern, die auf -el, -en, -er enden, siehe:
 

Ärmel, Bügel, Dackel, Dödel, Dübel, Engel, Enkel, Erpel, Esel, Igel

Abendessen, Ableben, Äffchen, Almosen, Besen, Busen, Degen, Erdbeben, Faden, Omen

Adler, Anker, Boxer, Bohrer, Eber, Erker, Ober, Opfer, Täter, Ufer

(Keine Regel ohne Ausnahme: Getriebe, Geschiebe und sicher noch einige Wörter mehr)

 

Wörter, die nur in der Einzahl vorkommen (Singulariatantum)

 

Ein Singularetantum oder Singularwort (Einzahlwort) ist ein Substantiv, das wir nur im Singular kennen und nutzen. Die Singulariatantum lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen:

 

1. Abstrakta (Substantive, die etwas Nichtgegenständliches bezeichnen):
 

Ärger, All, Anstand, Appetit, Bammel, Chaos, Durst, Gegenwart, Geiz, Gier, Hass, Hunger, Jubel, Kälte, Lärm, Nachsicht, Nichts, Ruhe, Schutz, Überfluss, Vernunft, Wärme, Wehmut, Zen

 

2. Konkreta (Substantive, etwas Gegenständliches bezeichnen) ohne bestimmte Form/Einheit:
 

Butter, Diesel, Dinkel, Erde, Fleisch, Gold, Hagel, Helium, Käse, Laub, Nebel, Obst, Regen, Sand, Schnee, Staub

 

3. Substantivierte Verb-Infinitive:
 

Backen, Bellen, Denken, Duzen, Kochen, Küssen, Vergessen, Verzeihen

 

4. Substantivierte Adjektive:
 

das Deutsche, das Planbare, das Sichtbare, das Unvergessliche

 

5. Viele Substantive, die auf -heit oder -keit enden:
 

Dunkelheit, Gesundheit, Müdigkeit, Überheblichkeit

 

6. Organisationen wie die Bahn und die Post

 

Bei vielen Singulariatantum ist es üblich, sie ohne Artikel zu verwenden: Sowohl "Bringst Du bitte Butter mit!" wie auch "Bringst Du bitte eine Butter mit!", ist korrekt und gebräuchlich; ebenso "Das riecht nach Ärger.", "Hast Du keinen Anstand?", "Wähle zwischen Backen und Kochen!", "Nie wieder Angst vor Dunkelheit." und "Schickst Du das mit Bahn oder Post?".

 

Wenn bei diesen Singularwörtern in irgendeiner Art Mengen oder Vielzahlen angesprochen werden müssen/sollen, geschieht das entweder durch Wortzusätze wie -sorten (Käsesorten, Dieselsorten), -massen (Laubmassen, Schneemassen) oder durch zusätzliche Wörter, die eine Mehrzahl beschreiben oder festlegen (Massen von Ärger, 2 Päckchen Butter, 10 Fässer Diesel).

 

Wörter, die nur in der Mehrzahl vorkommen (Pluraliatantum)

 

Das Pluraletantum, Pluralwort oder Mehrzahlwort ist ein Substantiv, das ausschließlich in der Plural-Form gebraucht wird, weil der Singular kaum bekannt ist und/oder wenig Sinn ergibt.

 

Beispiele, die das verständlicher machen:

Die Eltern sind immer zu zweit, und die Geschwister mindestens zwei (ein Geschwister gibt es nicht, das ist dann der Bruder oder die Schwester).

Die Daten (im Computer und im Datenschutz) werden zwar vielleicht einzeln angesprochen, dann ist aber vom Datensatz die Rede (dessen Plural Datensätze heißt).
 

Die Alimente bringen erst Nutzen, wenn sie komplett bezahlt werden; die Ferien bestehen immer aus mehr als einem Ferientag; die Alpen können Alm für Alm, aber nicht Alp für Alp bewandert werden.

 

Nichts ist unmöglich: Kreative Plural-Bildung

 

Sprache ist wandelbar und wandelt sich dauernd; nicht nur durch verordnete Änderungen wie Rechtschreibreformen, sondern vor allem durch die Menschen selbst. Viele Änderungen im Duden sind nichts als "aufgezeichneter Sprachgebrauch", und das betrifft natürlich auch die Pluralbildung:

 

Schon vor langer Zeit haben die Menschen die abstrakte Schönheit zu sehr konkreten Schönheiten (schönen Menschen) weiterentwickelt, in der Dummheit viele Dummheiten (dumme Taten) erkannt, aus der Ehre die Ehren-Urkunden abgeleitet.

 

In Deutschland hieß es auch lange: Eine Ananas, viele Ananas, bis der Duden irgendwann auch "die Ananasse" als Pluralform aufgenommen hat.

Manche Menschen haben noch ganz andere Ideen:

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/zwiebelfisch-von-laeuchen-couchen-und-saenden-a-696615.html - die es auch in den Duden schaffen, wenn genug Menschen diese Pluralform nutzen. Die Paprika hat es inzwischen längst zu mehreren Paprikas geschafft; vermutlich haben wir bald "Obste", weil die "Teste" gerade so im Trend liegen ...

 

Kreative Pluralbildung ist jedoch vor allem in Unternehmen/technischen Branchen an der Tagesordnung, weil es der Arbeit oder dem Verkauf dient:


- Seit wir aus der Erde unserer Erde alle möglichen Stoffe extrahieren, sprechen die involvierten Berufe/Unternehmen von Erden

- Aus dem Wasser werden die Wässer, in Form von diversen Mineralwassersorten

- Die Molkerei verarbeitet Milch, oder Milche (von Kuh, Ziege, Schaf); und die Milchen (aus Hafer, Erbsen und Co.) sind im Handel auch groß im Rennen

- Die Baufirma verarbeitet nicht einfach nur Sand, sondern verschiedene Sande oder Sände

- Umweltanalytiker mögen ohnehin keinen Staub, müssen aber verschiedenste Stäube bewerten

 

Unsere Sprache wird also recht häufig durch Entdeckung nie genutzter Pluralformen oder neue Pluralbildungen bereichert; die in der Sprache bleiben, wenn sie vielen Menschen gefallen und logisch erscheinen.

 

Es ist gut vorstellbar, dass Hobbyköche in einem Internetforum demnächst über die verschiedenen Appetite diskutieren - wir Menschen haben schließlich auch viele Hoffnungen, obwohl es wohl kaum etwas Abstrakteres gibt als die Hoffnung. Angesichts zunehmender Mengen von Verschwörungstheoretikern könnte man auch durchaus den Eindruck gewinnen, dass Menschen in sehr vielen unterschiedlichen Gegenwarten leben können.

 

Wenn es um eine Prüfung geht, ist kreative Pluralbildung gerade in Deutschland sicher nicht ratsam. Sobald Sie jedoch Texte für Leser verfassen, die ansonsten sprachlich korrekt sind, können Sie Ihrem Einfallsreichtum freien Lauf lassen - vielleicht werden ja Einfallsreichtümer daraus (die der Duden bisher noch nicht kennt).