Sätze, die ohne Komma eine völlig andere Bedeutung haben

Warum gibt es eigentlich Kommas?

 

Die "Zeichen in Form kleiner geschwungener Striche" trennen laut Duden Sätze oder Satzteile voneinander.

 

Die Wortherkunft verdeutlicht, warum sie das tun: Unser Komma hat sich aus dem lateinischen "comma" und dem griechischen "kómma" gebildet, die beide "Schlag, Abschnitt, Einschnitt" bedeuten.

 

Das Komma wurde von dem venezianischen Verleger und Buchdrucker Aldus Manutius (1449 -1515) eingeführt. Er setzte auch als erster regelmäßig einen Punkt an das Satzende, beide neuen Satzzeichen verbesserten die bisherige Gliederung durch Virgel entscheidend. Die Virgel ist ein einfacher Schrägstrich, die bis heute z. B. in Form des Slash-Zeichens in URLs und in den französischen, italienischen Bezeichnungen für das Komma (virgule, virgola) überlebt hat.

Als Text-Gliederungszeichen brachte die Virgel fast unlesbare Textwüsten hervor:

Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Datei:1485_malory_thomas_le_morte_darthur-image.png

Dieser Grund für die "Erfindung" des Kommas bewährt sich noch heute: Das Komma setzt einen Schnitt in den Satz, schlägt ihn dort in zwei (oder mehrere) Teile, wo das grammatikalisch erforderlich ist. Damit ist das Komma ein sehr wichtiges Gliederungszeichen; und diese Gliederung ist nicht nur dazu da, "die Sprache zu ordnen": Die Gliederung ist gerade für ungeübte Leser das Geländer, die Takt gebende Führung, die ihnen hilft, Texte leicht erfassen und verstehen zu können.

 

Für Menschen, die mit einer grammatikalisch korrekten Sprache aufgewachsen sind, gehört der Einschnitt durch das Komma auch ganz unbedingt zur Sprachmelodie: Sie "leiden", wenn sie Sätze lesen, in denen Kommata fehlen oder willkürlich irgendwo im Satz verteilt wurden.

 

Wenn die Kommas fehlen, hört sich der Satz für Menschen, die Sprache "mit Kommas lesen", wie Roboter-Gestotter an:
 

Die Liebe ist wunderbar anregend und euphorisierend verrückt und begeisternd höchst individuell und doch allgegenwärtig so unvermeidlich wie aufrüttelnd unbequem.

 

Das ist Liebe ohne Höhen und ohne Tiefen, so ergeben Satz und Liebe mehr Sinn:
 

Die Liebe ist wunderbar, anregend und euphorisierend, verrückt und begeisternd, höchst individuell und doch allgegenwärtig, so unvermeidlich wie aufrüttelnd, unbequem.

 

Unsinnige Kommas verwirren, verärgern:
 

Aus folgenden Gründen, raten wir ... (vermutlich erklärenden die folgenden Worte nicht, warum bei der Kommasetzung geraten wurde).

In gespannter Erwartung, sehen wir ... (nicht, dass ein Komma hier völlig überflüssig ist).

 

Noch schlimmer wird es, wenn die Kommata (das ist der Plural für Altlateiner, "Kommas" ist aber auch richtig) in einer Art gesetzt werden, die die Bedeutung des Satzinhalts verändert:

 

So entscheidend kann das Komma den Sinn eines Satzes verändern

 

Es gibt mehrere bekannte Beispiele, in denen das Komma den Inhalt umkehren kann:
 

"Komm, wir essen jetzt, Opa!", ist eine übliche Aufforderung, die in der Gestalt "Komm, wir essen jetzt Opa!" zu Kannibalismus aufruft.

Ebenso missverständlich ist es, wenn die Ansage "Jetzt koch ich, Mama!" zur Ankündigung "Jetzt koch ich Mama!" wird.

 

Die wichtige Sitzung könnte durch diese Kurznachricht je nach Komma unterschiedliche Ergebnisse erbringen: "Beschließt jetzt, nicht warten bis wir kommen."; "Beschließt jetzt nicht, warten bis wir kommen".

Klappt auch mit Vertragsabschlüssen (unterschreibt den Vertrag, nicht warten / unterschreibt den Vertrag nicht, warten) und mit Menschenleben (hängt ihn, nicht warten / hängt ihn nicht, warten).

 

Dieses Komma unterscheidet heile Haut von Verbrennungen: "Nicht zu heiß, sagte Peter ..."; "Nicht, zu heiß, sagte Peter ...".

 

Wer stört hier wen? "Wir bitten, unsere Hausgäste nicht zu stören".; "Wir bitten unsere Hausgäste, nicht zu stören." Externe Barbesucher würden den zweiten Satz wählen.

 

"Der Mann sagte, die Frau ist das schwächere Geschlecht", steht im Protokoll des Vortags eines rechtskonservativen Abgeordneten.

"Der Mann, sagte die Frau, ist das schwächere Geschlecht", wird beim Kongress über die "Medizin der Zukunft" aufgezeichnet.

 

Etwas Vorsicht ist auch mit Imagewerbung auf Plakaten angebracht, weil Kommata leicht verändert werden können:
 

"Stadt XY hat, was alle suchen"

"Stadt XY hat was, alle suchen."

 

Wenn ein kaufwilliger Hundefreund dem Züchter nach Erhalt Welpen-Fotos (wie auf t1p.de/7avt) schreibt: "Ich möchte gerne den zweiten knuddeligen Retriever!", wird der Züchter irgendeinen der Welpen für ihn reservieren. Schreibt er: "Ich möchte gerne den zweiten, knuddeligen Retriever!", wird hübsche Welpe Nr. 2 in der Reihe reserviert, der so entspannt die Zunge heraushängen lässt.

 

Auch schön, und schön missverständlich:
 

Er will sie nicht. Er will, sie nicht. Dieses Beispiel ist "zwingend diskriminierend", weil es andersherum nicht funktioniert.
 

Für beide (alle) Geschlechter passt: Was willst Du schon wieder? Was, willst Du schon wieder?


Klara verstand die Zusammenhänge, nicht aber ihr Mann. Klara verstand die Zusammenhänge nicht, aber ihr Mann


Glaube mir, dass hilft nicht, nur für ein paar Minuten. Glaube mir, dass hilft, nicht nur für ein paar Minuten.


Sandra modellierte, das Modellierholz im Mund, ihrer Tochter einen schönen Puppenkopf. Sandra modellierte, das Modellierholz im Mund ihrer Tochter, einen schönen Puppenkopf.


Sebastian sagt, Michael ist nicht sehr hell in der Birne. Sebastian, sagt Michael, ist nicht sehr hell in der Birne.


Der "gute Mensch von heute" denkt an sich selbst zuletzt. Der "gute Mensch von heute" denkt an sich, selbst zuletzt.


Sonja liebt ihren Mann, nicht ganz ohne Zweifel. Sonja liebt ihren Mann nicht, ganz ohne Zweifel.


Er versprach, mir jedes Jahr Aktien zu kaufen. Er versprach mir, jedes Jahr Aktien zu kaufen. Er versprach mir jedes Jahr, Aktien zu kaufen.

 

Warum sollte und wie kann man lernen, korrekte Kommata zu setzen?

 

Wenn ein Text gelesen werden soll, sollte er dem Leser in korrekter, verständlicher Sprache präsentiert werden, zu der selbstverständlich auch eine fehlerlose Grammatik gehört.

 

Das ist wichtig für die Lesbarkeit, und es ist noch wichtiger, wenn Sie etwas vom Leser wollen (er den Inhalt glauben soll, er kaufen oder den Text verlinken soll): Ein fehlerloser Text zeigt, dass Sie den Leser ernst nehmen, ihm Respekt entgegenbringen, sich für ihn und um ihn bemühen.

 

Das gilt für E-Mails und Briefe, Zeitungsartikel und Bücher, und selbstverständlich für alle Prüfungsarbeiten: Sie haben oben gesehen, wie oft es sich auf den Inhalt auswirkt, wenn Sätze durch falsche Kommata "zerhackt" werden. Außerdem ist immer die Gefahr gegeben, dass ein Prüfer von Mängeln in Zeichensetzung und Rechtschreibung auf insgesamt mangelnde Kenntnisse schließt.

 

Für die Milliarden Texte, die im Internet um die Gunst der Leser konkurrieren, gilt das natürlich um so mehr: Wenn Sie einen Text ins Netz stellen, stellen Sie diesen Text Mengen von potenziellen Lesern vor, von denen viele korrekte Sprache können und lieben. Der Klick zum nächsten Artikel geht ganz schnell, wenn der sprachkundige Leser schon im ersten Satz mit einem abstrusen Komma begrüßt wird.

 

Es lohnt sich deshalb unbedingt, sich mit dem korrekten Einsatz der Kommata zu beschäftigen. Das ist auch keine "Raketenwissenschaft", sondern braucht eigentlich erst einmal nur ein wenig Theorie - und dann vor allem Aufmerksamkeit, die auch gleich das Sprachgefühl schult.

 

Die Theorie finden Sie im Duden, ausführlich erklärt in 4.903 Worten: www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/komma. Für ungeduldige Menschen ist es wahrscheinlich zielführender, wenn sie sich diese Darstellung in rund 1000 Worten vornehmen:

magazin.sofatutor.com/schueler/kommaregeln-einfach-erklaert-so-setzt-du-jedes-komma-richtig.

 

Aber wie sagt schon der Duden:

Das Komma wird im Deutschen "in erster Linie" nach grammatischen Gesichtspunkten gesetzt. Der Duden spricht damit die Zweifelsfälle an, in denen ein Satz mit und ohne Komma richtig ist. Dieser Ausspruch lässt sich aber auch anders verstehen: In zweiter Linie werden Sie nur zu einer flüssigen, korrekten Schriftsprache kommen, wenn Sie die Kommata gefühlt richtig setzen.

 

Eben nicht wie hier: www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-das-gefuehlte-komma-a-305063.html - aber schon dieser Artikel schult Ihr Sprachgefühl.

Der Spiegel hat noch weitere 14 Seiten mit je 20 Zwiebelfisch-Beiträgen zur deutschen Sprache zu bieten:

www.spiegel.de/thema/zwiebelfisch; der Duden steht als Mentor zur Korrektur jedes Textes zur Verfügung: mentor.duden.de (in der Basisversion nach Registrierung kostenlos), bis Sie gefühlte und tatsächliche Kommata im Griff haben.

 

 

Bildquelle:

https://istock.com/moonHo Joe